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Montag, 17. März 2014

Jesper ist da

Es ist vollbracht! Seit dem 12. März 2014 um 16:27 Uhr sind wir Eltern von Jesper – einem Jungen aus Stockholm. Für Jesper als Namen haben wir uns entschieden weil wir einen skandinavischen Namen wollen und diesen mögen und Jesper sowohl in Schweden als auch in Deutschland gleich ausgesprochen wird. Eigentlich war der berechnete Geburtstermin ja der 3. März. Das hat den Kleinen aber nicht davon abgehalten mehr als eine Woche „zu spät“ zu kommen. Richtig los für uns geht es in der Nacht von Sonntag (9. März) auf Montag. Gegen 2:00 Uhr bekommt Nadine Blutungen. Von Wehen ist zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu merken. Ich rufe sofort im Krankenhaus an und schildere alles. Wir haben uns schon vorher für das Södersjukhus auf Södermalm entschieden, da dort viele Freunde und Bekannte entbunden haben. Im Södersjukhus (kurz SÖS) gibt es zwei unabhängige Abteilungen für Entbindungen. Das Södra BB ist eine neue Abteilung, die moderner und familiärer eingerichtet ist. Man fühlt sich dort eigentlich gar nicht wie im Krankenhaus, sondern wie in einer Pension. Die Entbindung findet in selben Zimmer statt, in dem man später mit dem Partner übernachtet. Die zweite und ursprüngliche Abteilung ist das SÖS BB. Dort wird man aber erst hin verlegt nachdem man entbunden hat. Die Entbindung selbst findet auf der Abteilung Förlossning statt – in einem ganz normalen Krankenzimmern also keinem Kreißsaal oder so. Vor einem halben Jahr hat in der Nachbarschaft zum SÖS das Patientenhotel aufgemacht und nimmt inzwischen fast alle Mütter und Kinder auf. Nach der Entbindung in der Förlossning kann man sich aussuchen, ob man in besagtes Patientenhotel oder die SÖS BB überwiesen werden will, je nachdem ob dort noch Zimmer frei sind.

In unserer Nacht zum Montag haben wir in der SÖS BB angerufen und von den Blutungen berichtet. Die Hebamme sagt uns, dass wir zur Untersuchung vorbeikommen sollen. Nachts sind Stockholms Autobahnen ja schön leer, so dass wir 15 Minuten später im Krankenhaus in der Förlossning sind. Die Geburtenabteilung hat einen separaten Eingang der nachts verschlossen ist. Wir klingeln und werden von der Hebamme in Empfang genommen. Neben dem Eingang liegt ein kleiner Parkplatz, auf dem man zwischen 18:00 und 8:00 Uhr für 4 Stunden kostenlos parken darf. Wir werden in ein freies Krankenzimmer gelegt und Nadine werden zwei kreisrunde Sensoren um den Bauch geschnallt. Damit lassen sich der Herzschlag und die Stärke der Wehen messen. Komischerweise beginnen zu diesem Zeitpunkt auch endlich die Wehen bei Nadine, worüber wir uns echt freuten da wir da schon eine Woche über berechnetem Termin sind. Jedenfalls kommt dann noch eine total junge Ärztin zur Untersuchung und versicherte uns, dass alles normal ist. Blutungen können wohl auftreten, wenn der Schleimpfropfen abgeht. Nach zirka 2 Stunden werden wir aber wieder nach Hause geschickt.

Am Montag (10. März) geht es weiter mit den Wehen, die dann am Dienstag immer stärker werden. Dienstagabend (11. März) schauen wir das Champions League Spiel der Bayern und haben schon so ein Gefühl als ob es bald losgeht. Wenn man das erste Kind bekommt, ist man leider noch ziemlich unerfahren mit Allem. Wie stark werden die Wehen? Wann fährt man ins Krankenhaus? Gegen 3:00 Uhr halten wir diesen Zeitpunkt jedenfalls für gekommen und rufen wieder im Södersjukhus an. Diesmal rufe ich bei der Södra BB (die moderne, neue Abteilung) an da wir eigentlich am liebsten dort entbinden wollten. Diese neue Abteilung ist allerdings auch super beliebt. Wenn man sich dort nicht sofort am Anfang der Schwangerschaft anmeldet und auch dort zu Untersuchungen mit der Hebamme geht, hat man später kaum eine Chance auf einen freien Platz wenn es losgeht. Und so kommt es natürlich auch - kein Platz mehr frei im Södra BB. Kurioserweise wird uns von denen gar nicht die normale Förlossning im selben Haus empfohlen, sondern die neue Sophia BB – eine andere Entbindungsstation, die weiter im Norden von Stockholm liegt. Sophia BB ist aber keine Option für uns und ich rufe zum zweiten Mal in der SÖS BB an. Da die unsere Vorgeschichte von vor zwei Tagen noch kennen, dürfen wir direkt vorbeikommen. Um 3:30 (12. März) treffen wir im Krankenhaus ein und Nadine wird im Raum 1 auf der Abteilung Förlossning wieder an die bekannten Sensoren gehangen.

Die Wehen haben zu diesem Zeitpunkt aber schon deutlich nachgelassen, so dass wir damit rechnen wieder nach Hause geschickt zu werden. Überraschenderweise ist der Muttermund aber schon 5 cm offen und wir dürfen bleiben. Gegen 6:00 Uhr gibt es erstmal einen schönen Sonnenaufgang über Stockholm zu bestaunen. Zum Glück haben wir auch unseren Koffer mitgenommen und können ein paar Fotos mit der Spiegelreflex-Kamera machen. Die Wehen werden wieder stärker je länger wir da sind. Um 7:00 Uhr ist Schichtwechsel bei den Hebammen. Um Nadine kümmern sich zu diesem Zeitpunkt Evelina, Caroline und Anna, die alle 15 Minuten vorbeischauen. Als die Wehen um 8:45 Uhr ziemlich kräftig werden, fängt Nadine mit Lachgas (Distickstoffmonoxid) an. Lachgas ist das in Schweden bei Geburten am Häufigsten eingesetzte Schmerzbetäubungsmittel. Die Wirkung ist am Anfang ganz gut. Später müssen wir den Dosierungsanteil erhöhen. Eine Stunde später sind die Wehen schon so stark, dass Nadine eine Periduralanästhesie (PDA) haben will. In Schweden nennt sich das Epidural und wird von einem richtigen Anästhesist gelegt - also nicht von der Hebamme. Genau in dem Augenblick wo der Arzt die Epidural legen will, bekommt er einen Notruf auf dem Pager. Ungeplanter Kaiserschnitt und weg ist er. Die nächsten 45 Minuten sind ziemlich übel da die Wehen schon ziemlich stark sind und niemand weiß, wann der Anästhesist wiederkommt. Irgendwann kommt dann aber endlich der Chefarzt von der Anästhesie und bringt den Job gegen 11:00 Uhr zu Ende.

Danach folgen zwei bis drei Stunden die relativ entspannt und schmerzfrei sind. Wir bekommen ein paar belegte Brote zum Mittag und soviel Apfelsaft wie wir wollen. Die Vormittagsschicht der Hebammen verabschiedet sich schon um 13:30 und wir lernen die Nachmittagsschicht kennen. Jetzt kümmern sich Annika, Karin und Sylvia um uns. Ab jetzt wird es richtig ernst! Der Wehenschmerz ist zwar immer noch betäubt, ein deutlich spürbares Drücken nach unten ist aber bereits zu merken. Der Muttermund ist wie gewünscht 10 cm offen und keine Ränder mehr spürbar. Jetzt muss Jesper nur noch weiter nach unten rutschen und die Presswehen müssen anfangen. Das dauert leider noch über 2 Stunden, die ziemlich schmerzhaft sind. Zwischen den Wehen bleiben nur 2-3 Minuten zum Durchatmen. Mal sitzt Nadine im Bett, mal auf dem Pilatisball und mal auf einem Geburtshocker. Als gegen 16:00 Uhr die Presswehen anfangen, ist es eigentlich nur noch ein harter Kampf gegen den Schmerz. Die Epidural wurde abgestellt, um den Druck der Wehen besser ausnutzen zu können. Seit Stunden hat Nadine eine Kanüle im Handrücken, mit der man an einen Tropf angeschlossen werden kann. Um 16:15 drückt es die Kanüle aus der Hand und es fängt ganz stark an zu bluten. Nadine bekommt davon gar nichts mehr mit. Ich verbinde die Hand ganz notdürftig. Inzwischen sind alle 3 Hebammen im Raum und man spürt, dass es nur noch Minuten dauern kann. Um 16:27 ist er endlich da, liegt am Bettende und schreit. Seine Mutter ist total fertig aber überglücklich. Ich darf die Nabelschnur durchschneiden. Nach der Geburt wird Nadine verarztet während Jesper auf ihrer Brust liegt und alles zu untersuchen anfängt. Wir dürfen noch zirka drei Stunden im Krankenzimmer bleiben und bekommen noch ein richtig tolles Abendbrot mit belegten Broten bevor wir mit dem Rollstuhl unterirdisch ins Patientenhotel fahren. Zum Glück ist dort für uns noch ein Zimmer frei. Für unsere drei Hebammen aus der Nachmittagsschicht ist es an diesem Tag die einzige Geburt. Im Södersjukhuset in Stockholm werden an jedem Tag so zwischen 10 und 20 Kinder geboren.

Das Patientenhotel (Årstaviken Hotell) ist erst ein halbes Jahr alt und super modern und toll. Wir sind im fünften Stock im Zimmer 504 quasi mit Meerblick – also Blick auf die Bucht von Årsta. Auf unserer Etage sind fast alles frisch gebackene Eltern. Für die Nacht im Doppelzimmer bezahlt Nadine nur ihre Patientengebühr von 90 SEK inklusive Frühstück, Mittag- und Abendessen. Ich selbst bezahle 300 SEK für Übernachtung inkl. Frühstück. Wenn ich Mittag essen möchte kostet das 89 SEK. Abendessen gibt es für 145 SEK. Einen Kombipreis gibt es auch. Jeden Tag kommt dreimal eine Hebamme vorbei und gibt uns Tipps, z.B. über das Stillen. Zusätzlich werden 24 Stunden und 48 Stunden nach der Geburt einige Tests gemacht (PUK Test und POX Test). Dafür trifft man einen Kinderarzt. Insgesamt bleiben wir 3 Nächte im Årstaviken Hotell bevor wir mit Jesper nach Hause fahren. Nicht zu unterschätzen sind die Parkgebühren. Am SÖS kann man nämlich nicht kostenlos parken. Ich bezahle für die Tage ungefähr 500 SEK. Mit dem Tag der Geburt am 12. März fangen auch meine 10 arbeitsfreien Tage an zu laufen. In Schweden bekommt man als Papa bei Geburt des Kindes unabhängig von der Elternzeit zehn freie Arbeitsage bezahlt. Ich finde es echt toll mit Jesper die ersten beiden Wochen verbringen zu können.

Samstag, 22. Februar 2014

Krawatten aus Schweden

Heute gibt’s auch noch einen kleinen schamlosen Werbepost in eigener Sache. Seit einigen Monaten arbeite ich nebenberuflich für die Firma von zwei Freunden aus Uppsala - Tieroom AB. Die beiden verkaufen seit vielen Jahren erfolgreich Krawatten und Fliegen in Schweden und anderen Ländern. Vielleicht sind Euch auf Dagens Nyheter schon das eine oder andere Mal die Werbeanzeigen von Tieroom aufgefallen. Jedenfalls sind die beiden letztes Jahr im August an mich herangetreten, um ihre Fliegen, Krawatten und Einstecktücher auch in Deutschland zu verkaufen.

Was ist das Besondere an unseren Produkten? Zunächst einmal sind sie von recht guter Qualität. Alles reine Seide und teilweise mit „Self Tipping“ gefertigt - also vorne und auch hinten aus dem selben Muster und Material. Alle Produkte werden selbst von eigenen Designern entworfen und verbinden schwedisches Design mit klassischen Krawattenmustern. Dann ist der Preis ziemlich gut, da bei Bestellungen ab drei Krawatten oder Fliegen teilweise deutliche Rabatte gegeben werden. Das war für mich schon ziemlich erstaunlich, da wegen des miesen Euro Kurses die meisten Produkte eigentlich in Deutschland billiger zu bekommen sind. Zu guter Letzt werden Bestellungen auch noch kostenlos nach Deutschland verschickt. Der Kunde bezahlt also wirklich nur für seine Krawatten und nicht für den Versand.

Alle Artikel werden unter der schwedischen Marke Notch produziert. Die Krawatten und Fliegen von Notch kann man auch nur über den deutschen Onlineshop bestellen und nicht direkt in Deutschland im Laden kaufen. Damit sind die Artikel relativ einzigartig, da nicht jeder mit einer Notch Krawatte rumläuft. Wir haben über 1.000 verschiedene Muster im Sortiment (einige sind ausverkauft). Neben Seide haben wir noch einige für Krawatten eher ausgefallene Materialien wie Wolle, Leinen oder Leder. Inzwischen habe ich alle Produktbeschreibungen und Artikel aus dem Schwedischen ins Deutsche übersetzt. Falls ihr also mal eine Krawatte oder Fliege sucht - go Notch!

Foto verwendet unter Creative Commons von avrene

Steinschläge

Vor kurzem durften wir mal wieder die Frontscheibe von unserem Auto wechseln lassen. So langsam fängt es an zu nerven. Das war schon die dritte Scheibe, die wir gewechselt haben seit dem wir in Schweden wohnen. Einmal an unserem ehemaligen Mitsubishi Colt (2011) und zweimal bei unserem jetzigen VW Golf (2013 und 2014). Dadurch, dass im Winter sehr viele Schweden Winterreifen mit Spikes aufziehen lassen, wird die Fahrbahndecke der Autobahn schneller beschädigt und kleine Steinchen brechen heraus. Diese winzigen Steine werden dann beim Drüberfahren aufgewirbelt und dem Auto dahinter fährt an die Frontscheibe gehauen. Das passiert mir hier im Winter zumindest in der Gegend von Stockholm sehr oft. Natürlich geht die Scheibe nicht sofort jedes Mal kaputt. Dafür braucht es einen sehr ungünstigen Einschlagwinkel und entsprechende Geschwindigkeit. Leider war es vor ein paar Tagen mal wieder soweit. Der anfängliche 5 cm lange Riss wuchs nach wenigen Fahrten schnell auf 15 cm Länge und mir war klar, dass die Scheibe gewechselt werden muss.

Versicherungstechnisch hat man hier zwei Optionen. Entweder lässt man die Scheibe kostenlos reparieren oder sie wird gewechselt und man muss eine Selbstbeteiligung zahlen. Bei einem größeren Riss kommt leider nur noch die zweite Option in Frage. Bei unserer Kfz-Versicherung von Moderna wird beim Austausch der Frontscheibe eine Selbstbeteiligung von 35% der Reparaturkosten (mindestens 1.000 SEK) fällig. Eigentlich wollte ich wie letztes Mal wieder direkt zu Carglass gehen, wollte mir aber wenigstens noch ein weiteres Angebot einholen. Dabei bin ich auf Mobilglas gestoßen. Eine relativ neue Firma mit einem etwas anderen Konzept. Statt das Auto in die Werkstatt zu fahren, kommt der Servicewagen von Mobilglas nämlich zu Euch nach Hause. Zumindest wenn ihr in der Nähe von Stockholm, Göteborg oder im Mälardalen wohnt. Das erste Angebot von Mobilglas lag bei 1.595 SEK. Der Austausch der Frontscheibe sollte bei Carglass 1.900 SEK kosten. Von diesem Preis wollten sie auch absolut nicht runter gehen als ich ihnen vom Mobilglas Angebot erzählt habe. Soweit so gut. Scheibenwechsel bei Mobilglas in Auftrag gegeben.

Ein paar Stunden später kam die Terminbestätigung. Donnerstag um 9:00 Uhr. Kein Problem, Nadine ist zu Hause. Die Termine sind leider im nur recht grob angegeben. Je nachdem wie lange der Servicewagen am Auftrag vorher arbeitet. Jedenfalls kam Mittwoch ein Anruf, ob wir nicht doch schon heute einen Tag vorher Zeit hätten. Passte mir ganz gut, kein Problem. 16:00 Uhr war abgemacht, der Servicewagen stand aber schon 15 Minuten vorher bei uns auf dem Parkplatz. Mobilglas schickt leider nur einen Monteur. Naja wenigstens wusste er was er tut (Ausbildung als Glasmästare mit 15 Jahren Arbeitserfahrung bei Carglass). Da die Scheiben aber recht groß und unhandlich sind, ist es für einen einzelnen Monteur trotzdem nicht ganz einfach. Er bat mich jedenfalls beim Rausheben der alten und beim Einsetzen der neuen Scheibe mit anzufassen. Beim Einsetzen dann die böse Überraschung, er hatte die falsche Scheibe mitgebracht - angeblich weil der Computer einen Fehler gemacht hat. Unser Golf 6 ist Ende 2012 gekauft, kurz vor dem Erscheinen des Nachfolgemodells Golf 7. Er hatte jedenfalls eine Scheibe für das falsche Modell dabei. Ärgerlich. Glücklicherweise war sein Großhändler in Segeltorp noch erreichbar. 30 Minuten später kam er mit der richtigen Scheibe zurück. Natürlich war die neue Frontscheibe teurer (1.800 SEK), was die ursprüngliche Preisdifferenz zum Carglass Angebot erklärt. Naja Angebot ist Angebot. Habe dann 1.630 SEK bezahlt. Der Austausch hat zirka 45 Minuten gedauert (wegen falscher Scheibe insgesamt 75 Minuten).

Ob ich das nächste Mal die Scheibe wieder bei Mobilglas wechseln würde? Ich glaube nicht. Erstens ist Mobilglas beim Termin nicht so flexibel. Zweitens sind sie im Endeffekt doch nicht viel billiger. Drittens gibt es bei Carglass noch eine nette Garantie. Wenn die Scheibe innerhalb von 3 Monaten nach Austausch wieder durch Steinschlag kaputt geht, wird sie ein zweites Mal umsonst gewechselt. Und das ist leider im Winter in Schweden nicht unwahrscheinlich.

Foto verwendet unter Creative Commons von: Jellaluna

Mittwoch, 12. Februar 2014

Besuch im Bierhaus

Am Samstag war ich zusammen mit einem Kumpel zum ersten Mal im Bierhaus hier in Stockholm. Das ist ein relativ neues Restaurant mit deutscher Küche und einigen deutschen Biersorten. Es liegt direkt an der Ecke Tegnérgatan/Döbelnsgatan und ist besonders am Wochenende gut besucht. Wenn man dort essen möchte, ist es auf jeden Fall empfehlenswert einen Tisch zu reservieren. Freitag und Samstag sind fast immer ausgebucht.

Naja jedenfalls wollten wir nichts essen sondern nur etwas trinken. Gegen 21:00 Uhr trudelten wir beiden dort ein. Alle Tische waren wie erwartet besetzt. Kein Problem, an der Bar waren noch zwei Hocker frei. Die Auswahl an gezapftem deutschem Bier war ganz okay. Trotzdem war ich ein klein wenig enttäuscht. Paulaner und Spaten sind lecker, gibt es aber auch im Systembolaget hier in Schweden zu kaufen. Jever, Becks und Radeberger sind in Deutschland auch nur „Mainstream“ Biere, die man überall bestellen kann. Berliner Kindl ist nicht mein Ding und Hefe (Schöfferhofer) mag ich nicht. Hätte mir bei der Bierauswahl gerne etwas mehr Tiefe gewünscht. Mal ein Wernesgrüner oder ein paar Biere aus kleineren Brauereien. Das Angebot wird der deutschen Braukunst mit hunderten oder tausenden Bieren nicht gerecht.

Die nächste Enttäuschung - die Angestellten hinterm Tresen sprechen alle Schwedisch. Ich hatte ehrlich gesagt erwartet, dass das Bierhaus von deutschen Betreibern mit deutschsprachigen Angestellten geführt wird. Überhaupt habe ich an diesem Abend um mich herum nur ganz wenig Leute Deutsch reden hören. Die meisten Gäste sind wohl doch Schweden. Die Speisekarte sah ganz okay aus. Leider ziemlich gepfefferte Preise. Nürnberger Würstchen oder Currywurst für 100 SEK - naja. Serviert wird alles auf komischen Holzbrettern und Papier, weil man ja in Deutschland nie vom Teller ißt. Eine Laugenbretzel kostet 30 SEK und die war zu allem Übel auch noch total alt und steinhart. Im deutschen Supermarkt kriegst du das 10er Pack tiefgefrorene Laugenbretzeln für 1-2 Euro. Die schmecken wenigstens lecker, wenn sie frisch aus dem Ofen kommen. So eine harte, abgehangene Laugenbretzel ist irgendwie keine Reklame.

In der Speisekarte, die auf Deutsch und Schwedisch geschrieben war, fanden sich einige Rechtschreibfehler finden, z.B. „Warmspeissen“. Irgendwie ist das alles nicht ganz rund. Mein Fazit: das Bierhaus ist ganz nett, wenn man abends mal weggehen will. Zuviel Deutschland sollte man aber nicht erwarten. Hier hat wohl ein Schwede eine Nische entdeckt, da es nicht sehr viele deutsche Restaurants in Stockholm gibt.

Foto (cc) adactio

Dienstag, 28. Januar 2014

Schnell mal den Nachbarn durchleuchten

Seit gestern ist eine neue schwedische Webseite im Netz verfügbar, die bereits nach wenigen Stunden hitzig diskutiert wird. Der neue Dienst nennt sich Lexbase und publiziert rechtliche Informationen wie beispielsweise Gerichtsurteile der letzten fünf Jahre. Das an sich ist nicht neu in Schweden. Diese Informationen waren auch vorher öffentlich zugänglich. Neu ist die Art und Weise, wie diese Daten zugänglich gemacht werden. Auf Lexbase kann man eine Personensuche starten und nach Vornamen, Nachnamen, Personennummern (erste 6 Ziffern) oder einem Ort suchen. Ausserdem gibt es einen Kartensuche die Google Maps verwendet. Dort werden die Adressen von Personen, die in den letzten fünf Jahren Thema einer rechtlichen Untersuchung waren, als Punkt auf der Karte dargestellt.

In anderen Worten heißt das: ihr könnt jemanden ganz einfach online überprüfen und nachschauen ob er eine Straftat begangen, verurteilt oder freigesprochen wurde oder sonst irgendwie Ziel einer rechtlichen Überprüfung war. Worum es im Tatbestand genau geht, ist allerdings erst einsehbar wenn ihr dafür bezahlt. Dazu meldet man sich zunächst kostenlos auf lexbase.se an. Danach hat man die Möglichkeit seinen Account via PayPal oder Kreditkarte aufzuladen. Mit Guthaben im Lexbase Account kann man anschliessend detaillierte Rechtsinformationen zu einzelnen Fälle abrufen. Ihr habt die Möglichkeit einfache Information (BAS) oder sehr detaillierte Information (KOMPLETT) einzusehen. Ein Abruf von BAS Daten kostet 59 SEK und beinhaltet folgendes: die Personendaten, die begangene Straftat, die Adresse zum Zeitpunkt der Tat, die aktuelle Adresse, die Strafe bzw. das Urteil, Angaben zum Gericht. Ein Abruf von KOMPLETT Daten kostet 79 SEK und beinhaltet darüber hinaus folgendes: Anklageschrift, Unterssuchung, Tatverlauf, Ankläger und Anwälte. Ich glaube, der Abruf diese Daten ist ausserdem komplett anonym, d.h. derjenige über den Ihr Euch informiert bekommt davon gar nichts mit und wird nicht informiert.

Lexbase ist schon ein ziemlich krasses Tool, mit Vor- und Nachteilen. Ich finde es ganz nützlich, dass man so einfach mal schnell jemanden überprüfen kann. Beispielsweise einen Babysitter, den ihr buchen wollte. Oder einen Vermieter, von dem ihr eine Wohnung in Stockholm in zweiter Hand mieten wollt ohne an einen Betrüger zu geraten. Die Kartensuche ist darüber hinaus interessant wenn ihr umziehen und schauen wollt, in was für eine Gegend ihr zieht. Ballungszentren wie Hässelby Strand, Tensta, Rinekby, Botkyrka, Haninge oder Jordbro lassen sich auf der Karte schnell ausmachen. Nicht wirklich überraschend findet man in Nacka, Bromma oder auf Lidingö weniger Punkte auf der Karte. Allerdings muss man sich darüber im klaren sein, dass wirklich alle Fälle zugänglich sind. Also auch Sachen die ich persönlich ”weniger schlimm” finde wie Ladendiebstahl, File-Sharing, Verkehrsdelikte, Beleidigungen usw. Da man die jeweilige Tat aber ohne zu bezahlen nicht einsehen kann, werden erstmal alle Personen über einen Kamm geschoren. Man sieht nur wer etwas gemacht hat. Aber nicht ob jemand erstochen oder ein Lippenstift für 100 SEK geklaut wurde.

Sonntag, 26. Januar 2014

Elternzeit planen

In den letzten Tagen haben wir uns ein wenig mit dem Thema Elternzeit in Schweden auseinandergesetzt. Ich kann Euch sagen, dass ist echt kompliziert. Normalerweise werden die meisten Sachen in Schweden auf einfache Art und Weise gelöst. Elternzeit und Elterngeld scheinen irgendwie eine Ausnahme zu sein.

Die Elternzeit heißt in Schweden Föräldraledighet. Wenn Ihr in Schweden wohnt und hier ein Kind bekommt, stehen Euch insgesamt 480 Tage (ca. 16 Monate) Elternzeit zu. Diese 480 Tage teilt man sich mit seinem Partner, wobei ähnlich wie in Deutschland jeder Partner 60 Tage exklusiv nutzen muss. Diese 60 Tage kann man seinem Partner nicht überschreiben. Im ersten Jahr dürfen beide Elternteile wenn gewünscht auch gleichzeitig zu Hause bleiben und diese Tage als Elternzeit nehmen.

Interessant wird es beim Thema Elterngeld. Die oben genannten 480 Tage sind Tage, an denen Euch das volle Elterngeld von 100% zur Verfügung steht. Alternativ kann man diese Zeit aber noch „strecken“. Wer es finanziell stemmen kann, muss sich nicht das volle Elterngeld auszahlen lassen. Alternativ kann man sich auch nur 75%, 50%, 25% und sogar 12,5% auszahlen lassen. Lasse ich mir nur 50% als Elterngeld bezahlen, kann ich aus einem Tag zwei Tage Elternzeit machen. Der Gedanke ist eigentlich, dass man die restliche Zeit arbeiten geht (bei 50% also 4 Stunden arbeiten). Das ist aber keine Pflicht glaube ich. Recht fortschrittlich ist das System, mit dem die Tage und die gewünschte Höhe des Elterngeldes erfasst werden. Das läuft alles über die Webseite von der Försäkringskassa, der einzigen Krankenkasse in Schweden. Dort loggt man sich mit einer so genannten e-Legitimation ein. Für e-Legitimation gibt es mehrere Varianten. Man kann sich einen Kartenleser bestellen, der dann Personalausweis oder Bankkarte ausliest. Man kann sich das Programm BankID auf seinem Handy installieren oder einfach bei seiner Bank einloggen und ein Zertifikat runterladen und im Browser installieren. Ist man dann bei der Försäkringskassa eingeloggt, meldet man zunächst seine Elternzeit an. In diesem Schritt muss man noch keine konkreten Tage angeben, sondern meldet nur an, dass man bald ein Kind bekommt. Diesen Schritt macht man am besten schon bevor das Kind geboren ist. Die Försäkringskassa kontaktiert darauf den Arbeitgeber und fragt Euer Gehalt ab.

Das Elterngeld gibt es in Schweden nämlich in zwei unterschiedlichen Höhen. Einmal basierend auf Eurem normalen Einkommen der letzten 12 Monate (SGI Niveau) und einmal auf Niedrigniveau (Lägstnivå). Für das SGI Niveau seit Ihr berechtigt, wenn ihr mindestens 240 Tage vor der Geburt in Schweden gearbeitet und mindestens 180 SEK pro Tag verdient habt. Die oben angesprochenen 480 Tage werden wie folgt aufgeteilt (wenn ihr 100% Elterngeld auszahlen lasst). Jeder Elternteil erhält: 135 Tage auf SGI Niveau die man seinem Partner überschreiben kann, 45 Tage auf Niedrigniveau die man überschreiben kann und 60 Tage auf SGI Niveau die man nur selbst nehmen kann. Macht 240 Tage je Elternteil.

Was bekommt man auf SGI Niveau ausgezahlt? Dazu nehmt ihr Euer Jahresgehalt, multipliziert es mit 0,97 und nehmt davon 80%. Diesen Betrag teilt ihr durch 365 und bekommt somit den Betrag, der Euch an einem Tag mit 100% Elterngeld zusteht. Allerdings gibt es eine Deckelung. Jedes Jahr wird vom statistischen Zentralbüro Schwedens ein so genannter „Preisgrund“ (Prisbasbelopp) errechnet. 2014 liegt der Prisbasbelopp bei 44.400 SEK. Zum Vergleich: er lag 1982 bei 17.800 SEK und 1957 bei 4.000 SEK. Von Eurem Jahresgehalt werden maximal 10 * Prisbasbelopp für das SGI Niveau angerechnet. Das ist blöd für Leute die mehr verdienen. Schweden ist halt ein Land, in dem viel Wert auf Gleichheit gelegt wird. Trotzdem muss man sagen, dass man durch die Deckelung schon spürbar weniger im Monat zur Verfügung hat – was die Elternzeit für Besserbezahlte irgendwie nicht mehr so attraktiv macht. Um dem entgegen zu wirken, haben einige Firmen für Ihre Angestellten Sonderregelungen geschaffen. Bei Electronic Arts (DICE) bekommen wir beispielsweise den Differenzbetrag zwischen Elterngeld und Gehalt vom Arbeitgeber geschenkt. Allerdings nicht über die komplette Elternzeit sondern nur über ein paar Monate (je nach dem wie lange man schon angestellt ist). Für einige kann auch eine Art Versicherung in Frage kommen, die diesen Verlust auffängt.

Wesentlich einfacher hingegen ist das Nidrigniveau (45 Tage) auf dem man nur 180 SEK am Tag bekommt. Welche Tage man sich auf welchen Niveau und zu welchem Prozentsatz auszahlen lässt, legt man wie gesagt online auf der Webseite der Försäkringskassa fest. Das ist ziemlich einfach und bequem. Kindergeld gibt es in Schweden auch. Man bekommt 1.050 SEK.

Wenn das Kind zur Welt kommt, stehen dem Papa übrigens auch noch 10 freie Tage zu. Diese muss man innerhalb von 60 Tagen nach Geburt „verwenden“. Diese 10 Tage zählen nicht als Elternzeit, sondern als freie Tage im Zusammenhang mit der Geburt. Auch hier kann man wieder strecken, indem man sich nur 75%, 50%, 25% oder 12,5%. Die 10-Tage muss man extra anmelden, spätestens am Tag an dem das Kind geboren wird.

Wie ihr seht, ist das mit Elternzeit und Elterngeld in Schweden nicht so einfach. Auf einige Dinge bin ich dabei noch gar nicht eingegangen (z.B. Gravidpenning, Jämställdhetsbonus oder veränderter SGI nach einem Jahr Elternzeit).

Foto: bradbrundage (CC)

Freitag, 24. Januar 2014

Neustart und Wohnung in Stockholm

Am 1. März 2014 fängt ein ehemaliger Arbeitskollege und Freund von uns an in Stockholm zu arbeiten. Er kommt eigentlich aus den Niederlanden und hat mit uns in Tromsø gewohnt bevor er ein Jahr in Tokio gearbeitet hat. Ich habe ihm in dieser Woche etwas dabei geholfen eine Wohnung zu suchen. Und ja, es ist immer noch verdammt schwer eine Wohnung zur Miete in Stockholm zu finden. Normalerweise sucht man ja auf Blocket oder Seiten wie andrahand.se oder kvalster.se. Alternativ registriert man sich für 695,- SEK für 45 Tage auf Bostaddirekt, damit man die Vermieter dort kontaktieren kann und außerdem vor allen anderen über neue Wohnungen informiert wird.

Zunächst habe ich meinem Kumpel Tom aber erstmal geraten, sich so schnell wie möglich beim Migrationsverket anzumelden. Dort registriert man sich als EU-Bürger wenn man länger als 3 Monate in Schweden bleiben will und bekommt von denen ein so genanntes Upphållsrätt (Right of Residence). Mit diesem in der Tasche kann man dann zum Finanzamt (Skatteverket) gehen und eine Personennummer beantragen. Diese wird in Schweden für fast alles benötigt. Beispielsweise wenn man Strom, Internet oder Fernsehen für seine Mietwohnung anmelden will. Die Personennummer braucht man auch um ein schwedisches Konto zu eröffnen. Ich schätze, dass das Migrationsverket zur Bearbeitung für das Upphållsrätt 3-4 Wochen braucht. Das Finanzamt braucht 1-2 Wochen würde ich denken. Sollte ungefähr passen bis Anfang März.

Pustekuchen! Ich habe folgenden Hinweis auf der Seite vom Migrationsverket gesehen: „Anträge die mehr als eine Woche vor dem Arbeitsbeginn gestellt werden, werden automatisch abgeleht“. Was für ein neuer schwedischer Schwachsinn! Im Klartext bedeutet das für Neuankömmlinge, dass sie keine Vorarbeit mehr leisten können und die ersten Wochen ohne Personennummer auskommen müssen. Ich hatte so was ähnliches ja schon mal vor 3 Jahren in Norwegen erlebt. Dort war die Frist für gültige Anträge aber zwei Wochen vor Arbeitsbeginn. Außerdem geht man in Norwegen auch persönlich hin, um seinen Registreringsbevis (sowas wie Upphållsrätt) zu bekommen und muss keine 3-4 Wochen warten.

Positives gibt es dann aber doch in Sachen Wohnungssuche zu vermelden. Normalerweise geht ja meine Response Rate für Anfragen auf Blocket (wenn ich jemanden anschreibe) gegen Null. Wenn ich so zehn Leute anschreibe dann antwortet mir vielleicht einer. Das liegt nicht daran, dass die Schweden alle unfreundlich sind sondern Blocket einfach total überlaufen ist. Auf eine Wohnungsanzeige melden sich so viele Leute, dass der Vermieter gar nicht alle Anfragen beantworten kann. Ein Freund hat mir jetzt den Tip gegeben, selbst eine Anzeige unter der Rubrik „Önskar hyra“ zu erstellen. Das habe ich gemacht. Komplett in Schwedisch geschrieben mit Foto usw. Die Anzeige hat 125 SEK gekostet und was soll ich sagen - nach 2 Tagen hatten wir schon 12 Angebote per Email. Am Wochenende gehe ich zu 2 Besichtigungen. Nächste Woche kommt Tom nach Stockholm geflogen und wir gehen nochmal 3 weitere Wohnungen anschauen.

Inzwischen kommen kaum noch Angebote per Email rein. Das liegt daran, dass die Anzeige immer weiter nach hinten rutscht wenn andere Leute eine Annonce schalten. Nach 3 Tagen ist unsere Anzeige jetzt schon auf Seite 3. Wer es richtig ernst meint: es gibt bei Blocket auch die Option die Annonce immer wieder ganz nach vorne rutschen zu lassen. Dieses Feature kostet allerdings 320 SEK extra. Alternativ kann man seine Anzeige in einer Gallerie anzeigen lassen, die immer rechts angezeigt wird. Das kostet dann 130 SEK. Ihr seht das Ganze ist eBay nicht ganz unähnlich. Ich kann das mit der eigenen Annonce weiter empfehlen. Idealerweise kennt ihr jemanden der Schwedisch kann und Euch den Text schreibt bzw. Emails beantwortet. Dadurch erhöht ihr Eure Chancen um ein Vielfaches.

Noch mehr erhöht man seine Chancen außerdem, wenn man in Stockholm direkt vor Ort ist, wenn die Anzeige geschaltet wird. Dann klappt es besser mit Besichtigungen. Da Tom erst nächste Woche hergeflogen kommt, müssen wir die meisten Vermieter hinhalten. Die versuchen in der Regel aber so schnell wie möglich zu vermieten. Nächste Woche kann es schon zu spät sein. Pro Tipp: sucht Euch eine billige Unterkunft in Stockholm und koordiniert die Wohnungssuche von hier. Falls es gar nicht klappt mit der Wohnung – in diesem Hotel könnt ihr den ganzen Monat für 8.924 SEK wohnen.